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Dienstag, 6.12.2022 - Sonntag, 18.12.2022 - km 1.573
GESAMT: 105 Tage - km 12.482
Bolivien hat uns schon bis jetzt mit großer Vielfalt überrascht – und so geht es weiter. Zuerst tauchen wir in die koloniale Vergangenheit ein und erleben, was bis heute davon sichtbar ist.
Unser erstes Ziel ist Potosí, die ehemalige „Silberstadt“, auch „Tor zur Hölle“ genannt. Bis heute gibt es den Begriff „Vale un Potosí - Das kostet einen Potosí“, was so viel wie „Das ist besonders wertvoll“ bedeutet. Mitte des 16. Jahrhundert wurde von einem Indigenen am 4.800m hohen Cerro Rico Silber gefunden. Bis ins 18. Jahrhundert füllte das hier abgebaute Silber die Kasse der Kolonialmacht Spanien. Im 17. Jahrhundert hatte die Stadt, auf 4.070m in unwirtlicher Gegend gelegen, 160.000 Einwohner und war damit größer als Paris oder Rom. Unglaublicher Reichtum konnte von Wenigen angehäuft werden – durch ungehemmte Ausbeutung der Indigenen und Sklaven aus Afrika. Wie das System funktionierte, wird bei einem Rundgang durch die Casa Nacional de la Moneda, der ehemaligen Münze, sehr anschaulich. Prächtige Kolonialbauten findet man im Zentrum, allerdings ohne den damaligen Glanz. Klöster und Kirchen, die während der Blütezeit eine ganz wesentliche Rolle spielten, sind Ruhepole in der quirligen Stadt. Bis heute wird in den Minen gearbeitet, allerdings von Kooperativen oder privaten Schürfern. Es geht nicht mehr um Silber, sonder um Zinn und Zink. Die Arbeit ist nach wie vor sehr gefährlich, die durchschnittliche Lebenserwartung der Minenarbeiter liegt bei 39 Jahren. Kinder müssen in die Stollen, obwohl offiziell Kinderarbeit verboten ist. Heute hat Potosí ca. 264.400 Einwohner. Nur wenige können sich „richtige“ Häuser leisten. Lange fahren wir durch die Vororte mit winzigen Lehmhütten ohne Strom und Wasser, durch viel Müll und unglaublichen LKW Verkehr, denn in dieser Höhe wächst nichts und alles, was die Menschen hier brauchen, muss hergebracht werden. Wir sind bedrückt und nachdenklich, als wir die Stadt Richtung Sucre verlassen.
Sucre, die „weiße Stadt“, gilt als die schönste Stadt Boliviens und ist UNESCO Weltkulturerbe. Das Klima auf 2.790m ist – im Vergleich zu Potosí – ausgesprochen angenehm. Mit einem exzellenten Eis in der Hand schlendern wir durch die hübsche Kolonialstadt mit ihren gut erhaltenen Bauten. Rund um den zentralen Platz liegen die Kathedrale, das Regierungsgebäude und Klöster und Kirchen der Karmeliter, Franziskaner und edler Stifter. Hier scheint es durchaus eine zahlungskräftige Mittelschicht zu geben, denn die Restaurants und Cafes sind gut besucht, der Markt ausgesprochen hübsch. Was für ein Gegensatz zu dem vorher Erlebten! Allerdings stauen wir uns bei der Ausfahrt Richtung Cochabamba auch hier durch sehr arme Viertel mit Industrie und Schmutz.
Unser Weg nach Cochabamba führt fast immer zwischen 2.800m und 3.200m dahin. Wir queren mehrere Canyons und fahren durch sehr arme, kleine Siedlungen. Schließlich erreichen wir das Tiefland um Cochabamba auf 2.300m, das landwirtschaftliche Zentrum von Bolivien. Da ist es nicht verwunderlich, wenn uns Cochabamba, immerhin die 4. größte Stadt Boliviens, wie ein endloser, chaotischer Marktplatz vorkommt. Hier finden wir ein paar Tage Ruhe bei Javier, einem Architekten, der sich rund um sein eigenwilliges Haus ein kleines Paradies erschaffen hat. In einer Lagune schwimmen Enten, Lamas grasen im Garten, ein weißes Pferd begrüßt uns und mythische Figuren bevölkern das Anwesen. Wir Camper können uns in einer „Pflanzendusche“ erfrischen. Wir genießen die Ruhe hier sehr.
Fortsetzung Bericht nach den Bildern
„Nirgendwo sonst fallen die Anden an ihrer Ostseite so steil ins Amazonas-Tiefland wie in den Yungas“ – das lesen wir in unserem Reiseführer. Und das erleben wir hautnah in den nächsten 3 Tagen auf unserem Weg nach Coroico, wo wir uns wieder mit Maria und Stephan treffen. Gleich hinter Cochabamba klettern wir in nur 10km auf 3.800m. Auf den nächsten 450km werden wir 17.300 Höhenmeter hinauf und auch wieder hinunter kurven, immer mit Untersetzung, um die steilen Anstiege und Abfahrten zu meistern. Meist geht es ca. 1000m hinauf, dann verläuft die Piste auf dem Höhenrücken in 3000 - 4000m, um wieder mindestens 1000m ins Tal zu fallen. Nach einer Flussdurchquerung, die auch durchaus sehr anspruchsvoll sein kann, klettert die Piste wieder 1000m hoch – usw. Der subtropische Nebelwald, die Yungas, ist phasenweise üppig grün und dicht. Sehr oft, vor allem rund um die Dörfer, wird er zugunsten von Cocafeldern abgeholzt. Wir taufen sie „hängende Gärten“, denn so steile Felder haben wir noch nie gesehen. Es ist die Zeit der Cocaernte und bei vielen Häusern, auch auf Fußballfeldern, werden die Blätter auf großen Planen ausgebreitet und getrocknet. Überall sehen wir Schilder „Hay Coca“, sogar „Hay Eco Coca“. Und fast jeder hier hat eine knallrunde Cocabacke. Die Siedlungen kleben an den Hängen oder liegen auf den Höhenrücken. Leider gelingt es uns kaum, mit den Bewohnern in Kontakt zu kommen. Kinder lachen nur ganz, ganz selten, die meisten Frauen schauen weg, auch wenn wir fröhlich „Olá, que tal?“ aus dem Auto rufen. Als wir einem Sammeltaxi bei einer Autopanne helfen, stehen die 10 Mitfahrer ungerührt neben dem Kleinbus unter dem sich der Fahrer verzweifelt abmüht. Kein Wort, keine Geste, kein Lachen – aber eine volle Cocabacke. Zumindest der Fahrer freut sich sichtlich über die Bremsflüssigkeit. Einmal gelingt uns eine wirklich schöne Begegnung. Am Rio La Paz kommen aus dem Flusstal Männer mit Eseln und Pferden, voll beladen mit Kisten, zu unserem Auto. Zigaretten und das Angebot, das Handy aufladen zu können, sind unsere Door–Opener. Die beiden Männer erklären uns bereitwillig, dass sie Mangos geerntet haben und nun auf den LKW warten, der die Früchte nach La Paz bringt. Außerdem erzählen sie, dass in der Gegend immer noch Kooperativen nach Gold suchen und angeblich „mucha plata“ machen. So ganz können wir das nicht glauben. Als wir ganz in der Nähe eine Blechbaracke vorfinden, die vor Kurzem von chinesischen Minenarbeitern verlassen wurde, meinen wir unsere Zweifel am Goldreichtum bestätigt zu finden.
Schließlich erreichen wir Coroico, den bei Wandertouristen und Bikern beliebten Ort. Hier treffen wir prompt auf dem Marktplatz Maria und Stephan, die wie wir auf Parkplatzsuche sind. Gemeinsam möchten wir den „Camino de la Muerte“ fahren. Die „Todesstraße“ war früher die einzige Verbindung zwischen La Paz und dem tropischen Tiefland und galt als eine der gefährlichsten Straßen der Welt. Auch hier werden auf ca. 60km etliche Höhenmeter überwunden: Coroico liegt auf 3.200m, der höchste Pass Richtung La Paz, der La Cumbre, ist 4.650m hoch und La Paz zwischen 3.200 und 4.200m. Heute gibt es für den „normalen“ Verkehr eine neue zweispurige Strasse. Die gefährlichsten Momente auf dem alten Camino sind jene, wenn einem Gruppen von mutigen Radfahrer begegnen, die sich über die 35km lange einspurige Piste hinunterstürzen. Wir sind bald dran am Morgen und können den dichten Feuchtwald, die vielen Wasserläufe und blühenden Pflanzen noch ohne Radler-Gegenverkehr genießen. Fein, dass wir diese ehemalige „Todesstraße“ zu zweit gefahren sind.
Fortsetzung Bericht nach den Bildern
La Paz erreichen wir schließlich über eine gute Asphaltstraße und landen prompt im dichten Frühnachmittagsverkehr. Jeder fährt immer und überall, Taxis hupen und schlüpfen 1cm neben unserem Cappuccino in die Kolonne, Busse scheren aus, dazwischen queren Fußgänger, Mopedler und Radler. Dazu kommen die steilen, verparkten Straßen, denn innerhalb von La Paz müssen bis zu 900m Höhenunterschied bewältigt werden. Wir parken unsere Autos auf einem kleinen Campground mit angeschlossener Werkstatt und machen uns auf, die Stadt per Seilbahn zu erkunden. Und das ist ein wahres Vergnügen. Ein mittlerweile dichtes Netz an Seilbahnen (von Doppelmayr/Österreich) erschließt die Millionenstadt. Wir genießen es richtig, von einer Gondel zu einem Hotspot, wie z.B. dem riesigen Donnerstagmarkt in El Alto, getragen zu werden. Dort tauchen wir für ein paar Stunden in den Wirbel ein, um dann elegant zur nächsten Attraktion zu schweben. Das bietet Ruhe und wunderbare Ausblicke auf die bunte, lebendige und vielfältige Stadt.
Nur knapp 80km entfernt von La Paz liegt der Titicacasee, einer der größten und höchst gelegenen Binnenseen (3.800m) Südamerikas. Wir bleiben ein paar Tage und genießen dramatische Sonnenuntergänge, unglaubliche Gewitter und buntes Leben.
Hier erfahren wir, dass Peru wegen der Unruhen nach der Inhaftierung des Präsidenten die Grenzen dicht gemacht und für 30 Tage den Ausnahmezustand ausgerufen hat. Also ändern wir unsere Pläne und werden zu Weihnachten nach Chile zurückkehren. Dort warten noch viele spannende Landschaften auf uns.
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Stephanie & Rasselbande (Dienstag, 20 Dezember 2022 22:16)
Und wieder weiß man als LeserIn und BetrachterIn nicht so genau, was am Beeindruckensten ist.
Herrliche Fotos und Farben und Gesichter habt ihr da geschickt.
Ich glaube ich finde Bolivien ganz toll und beneide euch um diese schönen und lehrreichen Erlebnisse.
Aber ohne einen Cappuccino wird das wohl nix werden....
Hoffentlich findet ihr in den nächsten Tagen noch ein nettes Plätzchen um mal wieder ganz anders Weihnachten zu feiern - hier wird es wie immer warm und ohne Schnee sein, den wir zumindest mal für eine Woche genossen haben.
Aber wie heißt es so schön - man kann nicht alles haben.
Viele liebe Grüße von euren Nachbarn
Elisabeth Gansinger (Donnerstag, 22 Dezember 2022 22:55)
Liebe Lisi und lieber Martin, ich lese eure Reiseschilderungen mit großem Interesse und staune über euren Mut, eure tollen Fotos, eure Erlebnisse, eure kniffeligen Berg- und Pistentouren in gigantischen Höhen … Staunen ohne Ende!
Charly und ich freuen uns mit euch, dass ihr uns mitnehmt auf euer Reise mit eurem Blog.
Herzlichen Dank dafür, alles Liebe und schöne Weihnachten auf einem Platz, an dem sich feiern lässt.
Bleibt gesund und habt weiterhin eine gute Zeit und schöne Begegnungen.
Alles Liebe
Elisabeth und Charly