Wer profitiert vom Tourismus? (Oktober 2017)
Nach anstrengender Fahrt durch den Linyanti National Park freuen wir uns über einen Platz bei einem aufgelassenem Campground am River Kwai. Es wird bereits sehr dunkel, als ein Wagen hält und uns eine strenge Lady erklärt, dass wir hier nicht bleiben dürfen, sondern ihr auf den Community Campground folgen müssen. „You are tourists, you must leave a lot of money here” – das schleudert sie uns entgegen. Solch Unfreundlichkeit sind wir nach Zambia nicht gewöhnt und beschließen ihr nicht zu folgen, sondern im Dorf Mababe zu fragen, ob wir nächtigen dürfen. Sofort öffnet uns ein Besitzer seinen Innenhof und lädt uns zum gemeinsamen Feuer ein.
Am Morgen zeigt er uns Urkunden und beklagt sich über die Behörden, die es ihm nicht erlauben einen Campground zu eröffnen. Offensichtlich hat die lokale Bevölkerung nichts vom Geld, das von den Touristen forsch eingefordert wird. Sie sehen zwar die Autos mit finanzkräftigen Gästen, die zum Gate des Nationalparks chauffiert werden, und wissen, dass diese bis zu 1500 US$ pro Nacht zahlen, aber die halten nicht im Dorf und lassen auch kein Geld da. Wie traurig!
John lässt sich nicht beirren (November 2017)
Die Piste aus dem Central Kalahari National Park führt geradewegs nach Rakops, eine etwas heruntergekommene Kleinstadt. Die Tankstelle hat zwar
Diesel, aber keinen Strom, daher gehen die Pumpen nicht und wir müssen warten, bis wieder Elektrizität zur Verfügung steht. Wir beschließen einmal unsere Reifen wieder aufzupumpen, da wir einige
Kilometer Asphalt vor uns haben. Hinter einer Kirche finden wir ein schattiges Plätzchen. Ein Auto voller lachender Kinder hält, der Fahrer fragt uns, ob wir etwas brauchen. Als wir verneinen,
fährt er weiter. Keine 10 Minuten später kommt er zurück, dieses Mal alleine. Er stellt sich als John vor, ein Baptisten Missionar. Unglaublich freundlich lädt er uns zu sich ein. Er liebt
Reisende und sein Garten steht allen, die Unterkunft suchen, offen. Also folgen wir ihm und stellen uns unter einen Baum am Flussufer des Boteti, der seit 7 Jahren wieder Wasser führt. Wir
grillen gemeinsam, lernen seine Familie und Freunde kennen und diskutieren fast die ganze Nacht über Politik und die Zukunft des Landes.
John leitet mit seiner Frau eine Pre-School für Arme und Aidswaisenkinder. Die Schule ist sein ganzer Stolz. Die Gebäude hat er in „Sand-Sack-Methode“ gebaut – seine Erfindung für erdbebengefährdete Gebiete. Nicht alle sind fertig, aber das scheint kein Problem zu sein. Fröhliche Kinder, hübsch angezogen und voller Energie laufen uns entgegen. In der Schulküche wird eifrig gekocht. Die Kinder bekommen mindestens eine nahrhafte Mahlzeit am Tag, damit sie nicht hungern müssen. Ernst erzählt uns John von den Schicksalen der Frauen, die für die Schule arbeiten. Alles sind HIV-positiv, alle haben 4 oder 5 Kinder von verschiedenen Männern – in der Hoffnung, dass zumindest einer überlebt und ein wenig Geld fürs tägliche Leben beisteuern kann. Wie traurig!
Die nächste unglaubliche Geschichte erfahren wir im Toilettenhaus. Mit einem Freund aus Südafrika hat John kleine bunte WC – Schüsseln gebaut. Weil eine Wasserspülung vorgeschrieben ist, kann man mit einer Gießkanne Wasser nachgießen. Aber das reicht der Qualitätsprüfung nach „westlichen Standards“ nicht. Die Behörde schreibt ihm ein echtes Spülsystem vor. Ironie am Rande: die Schule ist nicht ans öffentliche Wassersystem angeschlossen, also gibt es keine Leitungen und auch keine Spülmöglichkeiten nach westlichen Standards. Jetzt droht ihm die Schließung der Schule. Soll man das verstehen?
Vor John’s Haus verkommen Maschinen aus einer Bäckerei. Als wir ihn fragen, was das ist, erzählt er folgende Geschichte: um die Schule zu versorgen, hat er Geld aufgetrieben und eine Bäckerei initiiert. Fünf Menschen aus dem Dorf hatten Arbeit, die lokale Bevölkerung und die Kinder in der Schule liebten das gute Brot. Bei einer behördlichen Überprüfung wurde ihm mitgeteilt, er betreibe eine Großbäckerei, da er ja die Schule beliefert, und müsse daher alle Auflagen einer städtischen Großbäckerei erfüllen. Das konnte er natürlich nicht, also wurde das Erfolgsmodell geschlossen. Arbeitsplätze gingen verloren, kein Brot mehr für Rakops und die Schule, die Maschinen verrotten. Da kann man nur den Kopf schütteln.
Der Tourist als Cash Cow (November 2017)
Auf der Suche nach dem „echten Kalahari – Feeling“ sind wir am Weg ins Gebiet nördlich des Kaa Gates. Einsame Pans, kleine Siedlungen, wenige Autos und keine Touristen. Als wir Zutshwa passieren, springt plötzlich ein Mann auf und hüpft auf unser Auto: „You must pay for this road. We are poor and the community needs your money”. Wir sind höchst verwundert, sind wir doch auf einer öffentlichen Straße. Argumente nützen nichts, irgendjemand hatte die Idee für diese Zufahrt zum National Park und dem Kaa Gate eine Straßengebühr zu verlangen. Natürlich muss man auch fürs Übernachten zahlen, sollte man das planen. Infrastruktur gibt es selbstverständlich keine. Auf unsere Bemerkung, dass so Gäste abgeschreckt werden, beklagt sich der Mann bitter, dass kaum noch Touristen hier durchkommen und sie kein Geld machen. Nun, uns wundert das nicht!
Zwei Tage bleiben wir und begegnen keiner Menschen Seele. Unsere Vermutung war richtig, dass niemand das Gebiet ernsthaft kontrollieren kann. Aber kaum erreichen wir im Norden das Dorf Ukhwi stürzt schon wieder eine Frau auf uns zu „Camping, you must pay!!“ ruft sie außer Atem.
Wer immer den Einheimischen hier, die wirklich wirtschaftliche Entwicklung bitter nötig hätten, dieses Geld-Kassier-Konzept eingeredet hat, tut ihnen nichts Gutes.