Aufregung im Hotel Hilton Garden in Diyarbakir (Ende August 2019)
Diyarbakir wird wegen der Stadtmauer aus riesigen schwarzen Basaltblöcken „Schwarze Minna“ genannt. Da wir keinen passenden Campingplatz finden, fragen wir beim Hotel Hilton Garden ob wir im Garten stehen dürfen. Das führt zu verdutzten Gesichtern und ungläubigen Fragen, wie ob wir sicher sind, dass wir im Auto, nicht in einem Zimmer übernachten möchten? Der junge Manager telefoniert aufgeregt und erwirkt schließlich, dass wir bleiben dürfen. Wir können das Swimming Pool und die Infrastruktur des Hotels benutzen, sollen aber doch bitte, bitte das billigste Zimmer buchen. Das machen wir.
Der „Garten“ ist ein Betonparkplatz ohne Schatten, aber das große Pool und die Sanitäranlagen sind sehr angenehm bei 40° Hitze. Abends lädt uns der Manager noch auf einen Drink und erzählt von seinem Leben, hier am Ende der Welt – wie er sagt. Er arbeitete lange in Marmaris und kehrte wegen seiner betagten Eltern zurück. Nur selten kann er hier internationale Gäste begrüßen, daher freut es ihn um so mehr, dass wir hier sind. Groß scheint der Druck auf ihn von offizieller politischer Seite zu sein, hier in der Kurdenhochburg. Was das heißt erleben wir am nächsten Tag. Aufgeregt erzählt er uns, dass sein ganzes Haus für eine politische Kundgebung mit viel Politprominenz hergerichtet werden muss. Sichtlich nervös dirigiert er den Aufbau der Bühne, riesige Fahnen wehen von den Balkonen, 1500 Sessel müssen aufgestellt werden. Er ist sichtlich erleichtert, als wir ihm sagen, dass wir weiterfahren, denn unsere Autos hätte er in diesem Spektakel nicht erklären können. Begleitet von seinen guten Wünschen verziehen wir uns und hoffen für ihn, dass der Spuk gut vorübergegangen ist.
Geschichten von Vertreibung und Widerständigkeit
(Anfang September 2019)
Ganz nahe der syrischen Grenze liegen Klöster von syrisch-orthodoxen Christen, die im 4. Jahrhundert nach Christus gegründet wurden. Wie Festungen thronen sie auf den Höhenrücken, in Zeiten der Verfolgung boten sie der Bevölkerung Schutz. Auf Serpentinen kurven wir zur Wehrkirche von Gülgöze hinauf, vorbei an großteils verlassenen Häusern. Auf dem kleinen Platz vor der Kirche empfängt uns eine fröhliche Runde: Kanadier, Australier, Deutsche, Franzosen – ein Mal im Jahr treffen sie sich hier um in ihrer alten Heimat ein paar Tage gemeinsam zu verbringen. Die Kirche wurde mit Spendengeldern restauriert, ein Gästehaus bietet ausreichend Platz zum Verweilen. Abends sitzen wir mitten unter ihnen und hören Geschichten von Vertreibung, Flucht und Neuanfang. Es sind diese Geschichten, die sie verbinden, und natürlich ihre gemeinsame Sprache: Aramäisch – die Sprache, die zu Zeiten Jesu gesprochen wurde.
Das Schmuckstück der aramäischen Christengemeinde ist das Kloster Mor Gabriel. Bestens und aufwändig mit Geldern aus dem Exil restauriert, ist es heute ein beliebter Wallfahrtsort. Einige wenige Padres leben hier, wir werden professionell durch die großzügige Anlage geführt. Ganz nebenbei erzählt man uns, dass in der Türkei verboten ist Aramäisch zu sprechen. Allerdings muss man Aramäisch beherrschen, wenn man die Texte verstehen will – also wird es im Kloster an Sonntagen selbstverständlich unterrichtet, natürlich nur um religiöse Bücher entziffern zu können.
Kluge Auslegung von Verboten war immer schon eine gute Strategie um zu überleben 😊.