Syrien 1996 - eine Reise zur Wiege der Menschheit


  • Land voller Gegensätze
  • multikulturelles Damaskus
  • einsame Wüstenschlösser
  • geschichtsträchtiges Palmyra
  • riesiger Souq von Aleppo
  • Kreuzritterburgen & Klöster

Reisebericht Syrien, Ostern 1996 (30.3. – 8.4.)

 

Syrien – ein Land, das uns schon immer interessierte. Voll kultureller Schätze, mit viel Wüste und einem Anteil am „Fruchtbaren Halbmond“ - der Ort, wo die Menschen sesshaft wurden.  

 

Nach unserer letzten Erfahrung mit "organisierten" Reisen nahmen wir die Planung und Organisation diesmal selbst in die Hand. Mein Vater, Kunsthistoriker und Syrienkenner, stellte den Kontakt mit seinem Vertrauten Rafik her.

 

Wir finden in unserem Freundeskreis weitere 9 Personen, die mit uns diese Reise unternehmen möchten, und zwar:

Maria & Wolfgang, Marianne & Josef, Aldo, Dieter, Karin, Barbara & Bernado (CH).

 

In Damaskus am Flughafen trafen wir Rafik und Nagib, unseren Guide. Sie erledigten alle Einreiseformalitäten für uns. Bei einem Stadtbummel durch das nächtliche Damaskus stimmten wir uns auf das Land ein.

Unser erstes Ziel war Bosra, im Süden gelegen mit einer tollen arabischen Burganlage. Im römischen Amphitheater aus schwarzem Lavagestein servierte uns Nagib erste syrische Köstlichkeiten zum Lunch. Über das Haurangebirge, dem Siedlungsgebiet der Drusen, kehrten wir nach Damaskus zurück.

Etwas nördlich von Damaskus liegen Ma`alula und das Tekla Kloster, ganz versteckt im Schutz des Küstengebirges. Hier befindet sich eine der ältesten Christengemeinden von Syrien, es wird noch immer Aramäisch, die Sprache zu Zeite Christi gesprochen.

Durch intensiv genutztes landwirtschaftliches Gebiet erreichten wir Homs, wo wir Richtung Küste zum Craq de Chevalier abbogen. Die wirklich imposante Kreuzritterburg erkundeten wir zu Fuß. Hier spürten wir zum ersten Mal den Überwachungsstaat. Als ich von Nagib die traurige Geschichte von Homs erfahren wollte, winkte er sofort ab und bedeutet mir zu schweigen. Spitzel der Regierung könnten uns hören.

Nachdenklich fuhren wir weiter nach Palmyra durch Wüstensteppe und einem bunten Blumenmeer, gespeist von den noch wasserführenden Wadis. Palmyra war Nagibs Heimatstadt, die er uns voll Begeisterung und Emotionen zeigte. Wir wanderten über die Prachtstraße, bewunderten Tempel, Amphitheater, die ausgeklügelte Kanalisation und die Badeanlagen. Natürlich verbrachten wir viel Zeit im Museum und besuchten die etwas abseits gelegenen Grabtürme. Mit Nagibs Erzählungen wurde die Blütezeit von Palmyra unglaublich lebendig. Wir stellten uns vor, wie die herannahenden Karawanen die goldenen Kuppeln der Eingangstore zur Stadt schon von weiten sahen. Hier wurden bereits sehr früh Tarife für die Handelswaren, vor allem Gold und Sklaven, festgeschrieben. Nach dem Niedergang im 7. Jahrhundert lebten wenige Menschen in den Ruinen. Erst in den 20er Jahren wurde eine neue Siedlung gebaut und langsam begann die Restaurierung der gewaltigen Anlage. Nagib lud uns in sein Haus ein, wo wir von seiner Frau bekocht wurden und seine Kinder kennenlernten.

 

Wir dürfen gar nicht daran denken, was die Terroristen vom IS in Palmyra Jahre später anrichteten: der Direktor des Museums, den mein Vater gut gekannt hatte, wurde gehängt, das Museum geplündert, die Anlage zerstört, die Grabtürme gesprengt – einfach unvorstellbar. Leider ist es uns nicht gelungen, mit Nagib nochmals Kontakt aufzunehmen; wir wissen also nicht, was ihm und seiner Familie passiert ist. Das macht uns sehr traurig. Rafik lebt mittlerweile in Deutschland.

 

Erst im weit abgelegenen Wüstenschloss Ksar al Heir asch Schargui, ein Wildgehegeschloss aus dem 8. Jahrhundert, erzählte uns Nagib die traurige Geschichte von Homs, den Toten und wie versucht wurde, die Erinnerung zu zerstören. Hier in der Einsamkeit fühlte er sich sicher.

Nach längerer Fahrt erreichten wir endlich das Tal des Euphrat in Dar-ez-Zor. Dass diese Stadt einmal die Hauptstadt des IS sein würde, konnten wir nicht ahnen.

Unser Hotel in Arrack stellte uns vor gewissen Herausforderungen. Sehr zum Leidwesen von Nagib hatte offenbar die Reservierung nicht geklappt und wir mussten einmal Essen gehen.  Wir erinnern uns noch an eine kalte Halle mit Bahnhofsatmosphäre. Als wir zum Hotel zurückkamen, waren unsere Zimmer zwar frei, wir stellten aber schnell fest, dass es sich um ein Stundenhotel handelte. Ali, unser Fahrer, erklärte uns breit grinsend, dass diese Damen alle „Artists“ wären. Wir zogen es vor unsere Schlafsäcke aus dem Auto zu holen, da wir nicht recht von der Sauberkeit der Bettwäsche überzeugt waren. Nach einem Stopp beim Bagdad Tor und auf der Stadtmauer, folgten wir weiter dem Euphrat und bogen nach Süden Richtung Rusafa. Diese eindrucksvolle Wüstenstadt birgt einen unterirdischen Schatz: die riesige Zisterne aus dem 6. Jahrhundert ist mit glasigem Gipsstein ausgekleidet und glitzert wie ein Märchenpalast.

Der Euphrat wird hier vom Assad Damm gestaut – wir wollten uns die möglichen Grenzkonflikte bezüglich Wassernutzung mit der Türkei gar nicht vorstellen.

In Aleppo verzauberte uns vor allem der Suq. Geschickt führte uns Nagib durch das Gewirr der überdachten Gassen, verköstigte uns beim besten Imbiss mit Kebab und Falafel, zeigte uns die Vorhöfe zum Suq, die für die Nomaden reserviert waren und als Lager für die vielen Geschäfte dienten und führte uns zu versteckten Moscheen. Die Tatsache, dass der Suq während des Bürgerkriegs als Waffenlager diente, schmerzt unglaublich. Was immer passiert ist, ein Weltkulturerbe und das Herz der Stadt wurden zerstört.

Es war Ostersonntag, als wir im Simeonskloster ankamen. Viele Einheimische nutzten den Tag zum Bummeln, Picknicken und Genießen. Wir können uns noch gut an die entspannte, fröhliche Stimmung an diesem historischen Ort erinnern. Abends verblies ein kalter Wind unsere Zelte, aber der wunderbare Sternenhimmel entschädigte uns.

Wir folgten der alten Römerstraße nach Süden über Ebla bis nach Hama, der Stadt mit den eindrucksvollen Wasserrädern (Nurias). Von dort machten wir noch einmal einen Abstecher in die Wüste, an originellen „Trullis“ vorbei. Unser Ziel war Qasr Ibn Wardan, eine byzantinische Wüstenstadt, komplett aus Ziegeln erbaut. Wir nannten die Anlage wegen der schwarz-weißen Streifen im Gestein scherzhaft „Zebraschloss“. Beim lokalen Scheich waren wir zum Lunch geladen und genossen die syrischen Köstlichkeiten sehr.

Von dort ging es zurück nach Damaskus. Wir hatten noch Zeit für einen ausgiebigen Stadtbummel und Museumsbesuche. Wir bestaunten die prächtige Omayyaden Moschee und schlenderten durch das sehr westliche Christenviertel, wo gefärbte lebende Kücken als Ostergeschenke verkauft wurden.  Bis heute ist der Eindruck einer bunten, multikulturellen Stadt geblieben. Wir vermuten, das hat sich seither grundlegend geändert.

Schließlich wurden wir in einem traditionellen Hamam verwöhnt. Die anschließende Fahrt zu unserem Abschiedsessen durch den Abendverkehr von Damaskus ist bis heute unvergesslich – Gott sei Dank saßen wir mit dem Rücken zur Fahrtrichtung und sahen die abenteuerlichen Manöver unseres Taxifahrers nicht.

 

Im Tagebuch schrieb ich damals: „Es war wie im Märchen“.

 

Wir sind sehr dankbar und froh, dass wir dieses Land besuchen konnten, bevor der grausame Bürgerkrieg ausbrach. Nagib und Rafik waren unglaublich fürsorgliche und kompetente Begleiter. Wir können nur hoffen, dass bald Friede einkehrt in dieses so eindrucksvolle, aber unglaublich gebeutelte und verwundete Land. 

 


U.S. Central Intelligence Agency - veröffentlicht von University of Texas Libraries